Dr. rer. nat. Gerhard Steidl (*29.05.1946, ꝉ 08.06.2020)
Begründer der Rizol-Therapie –
Pionier in der naturheilkundlichen Co-Medizin

Ein Nachruf von Dr. phil. Mag. theol. Silja Luft-Steidl am 28.12.2020

Der völlig unerwartete Sekundentod des komplementär-medizinischen Forschers und Entwicklers, meines Mannes Gerhard Steidl am 8. Juni 2020 war für viele Mitmenschen, die ihn als Pionier, Kollegen, Menschen, Freund oder Zeitgenossen kannten, ein Schock und hinterließ auch offene Fragen. Daher möchte ich versuchen, sein reichhaltiges Naturell, Leben und Wirken verstehend nachzuzeichnen, denn Trauernde suchen runde Erinnerungen, wie jedenfalls Kondolenzworte es oft äußern. Gerhard Steidl war bis zum Todestag ungewöhnlich fit und aktiv gewesen, schon das vielleicht ein Fragezeichen.

Naturell und Prägungen

In Kürze versuche ich, das Gerhard Steidl mitgegebene Wesen naturhaft in klassisch-kosmologische Paradigmen zu fassen, wie sie Gerhard mochte, der ein Grenzschürfer in der Erforschung der Natur sowie des ganzen Menschen war. Dominierend nach seinem Geburtsgestirn ein agiler Merkur, ein wissenschaftlich tiefgründiger Skorpion, in Opposition dazu ein gemütlicher Stier und ein ebenso musischer wie ausufernder bis auflösender Neptun. Dem neptunischen Naturell war gewiss sein von sicherer Intuition geleitetes Naturwissenschafts-Verständnis zu verdanken und überhaupt, seine angeborene Leidenschaft zur Chemie. Sie war ihm Faden, der die Welt im Innersten zusammenhielt und modulierte. Gerhards Vielseitigkeit an sich ist prinzipiell menschlich, denn kaum ein Mensch kommt glatt gestrickt zur Welt. Am Fixum eines Wesens arbeiten Lebensumstände und, möglichst, die eigene Vernunft.

Ab hier könnte man, psychologisch, die Kinderstube ergründen, bodenständige Herzen vorfinden sowie die Mühsale einer Egerländer Flüchtlingsfamilie in der deutschen, Nürnberger Nachkriegszeit. Ein Ackern durch und aus Trümmern wie vielerorts, hier mit den Eltern und der zwölf Jahre älteren Schwester in Kulissen von Baracke, Werkswohnung – und dem Nürnberger Stadtgraben. Dort tobte Gerhard sich fußballerisch aus so wie später dann beim „Club“. Außerdem musizierte er: Akkordeon, Klavier. Dem jungen Pfiffikus wurde es eng im Nestkreis, dem er doch lebenslang treu blieb. Beruflich zeigte er sich bald gesattelt im Dozentenstand der Erlanger Universität und beflügelt durch Verantwortung als Laborleiter sowie zahlreiche Fachkontakte.

Ein bitterer Schlag war der zu frühe Tod der ihm nahen, musisch veranlagten Mutter 1983 durch Krebs. Erlebte Tabus in der klinischen und häuslichen Patientenbegleitung, z. B. die Ignorierung arzneilicher Pflanzenstoffe sowie der gesunden Ernährung, brachten Gerhard einen Schub zur kreativen Selbstentfaltung ein. Fortan bestimmte ihn im Sinne der klassischen Phytotherapie das systematische Erforschen und Entwickeln, vierzig Jahre lang bis zum Todes-Vortag. Basiswissenschaft auf Tuchfühlung mit Natur und Menschen war Gerhards Begabung und Weg, durch den er als Erfinder und Begründer der Rizol-Therapie im In-und Ausland bekannt wurde. Pflanzliche Antibiotika mit Aktivsauerstoff als Kaliber gegen mikrobielle Indikationen bis hin zu Tumoren blieben bis heute ein Novum und stichfest in ihrer biochemischen Logik.

Die Installierung der Rizol-Therapie begleitete ich ab den 1990-er Jahren, als Gefährtin und nie als Assistentin, denn Hierarchien verabscheute Gerhard. Das machte ihn als Person weitreichend beliebt. Meine eigene lange gehegte Berufung zur Geisteswissenschaft hat er nur bestärkt. Uns verband dauerhaft unter vielem anderen die Hochschätzung der Heil- sowie Nahrungspflanzen und deren etablierter Traditionen (Kräuterpfarrer, Apotheker Pahlow, Maria Treben u. a. m.): Pflanzen als die ersten Geschöpfe, die Ersten in den Nahrungsketten, die Ersten als Arzneien und der Schmuck der Welt.

Die historische Entwicklung der Rizol-Rezepturen und -Therapie:

Kennzeichen, um die wissenschaftliche Bedeutung Gerhard Steidls herauszustellen:

Lasten und Hoffnung eines Lebensweges

Einher mit Gerhards Pharmazie-Begründung gingen administrativ-fiskalische Vorgaben, wie sie (nicht nur) er als Pionier, Engagierter und Freigeist auch als blockierend erlebte. Vielleicht wirkte sich das aus auf manches spätere Wirtschaftshandeln, das zu seinem bescheidenen Naturell gar nicht passte. Sicher hatte Letzteres auch zu tun mit einem Konflikt aus alter Nest-Enge vs. Idealismus (darunter Eintreten für Therapien allgemein, für humanitäres Helfen, für Tierschutz, Naturschutz und Kultur), mit dem allgemeinen Zeitgeist der Beschleunigung und Entmenschlichung, die zum Herzensmenschen Gerhard partout nicht passten, auf jeden Fall mit falschen Freunden, die Gutmütigkeit schamlos ausnutzten. Wenn er sodann eintretende Folgeprobleme heiter ausblendete, könnten doch sie ihm das Herz zermürbt haben.

Die Erinnerung sucht Optimales und kann dazu die Vernunft bemühen, Analysen und Begriffe. Man könnte das Flüchtlingskind bedauern wegen Nestflucht-Hemmung, das Drama des Begabten sowieso, derer es Millionen gibt, Politik und Zeitgeist anprangern, die sich schwer ändern lassen. Zwei Dinge seien unendlich, sagte schon Einstein: die menschliche Dummheit (oder nenne ich es Unvermögen) und das Universum. Aber Letzteres wollte Einstein – als Mensch, der er war – wiederum nicht mit letzter Sicherheit behaupten. Ist also im trüben Forschen nicht eine spezielle Frage zu stellen, nämlich nach dem, was auf Erden nicht geheilt werden kann? Ich möchte statt nach Erinnerung lieber nach Erlösung suchen, denn ein Lebensweg bleibt auch schicksalhaft und verweist darin auf Religion.

Nach christlichem Glauben möchte ich die Offenbarung Gottes annehmen, den zur Bestattungsfeier am 17.06.2020 gewählten Lesungstext aus 1 Joh 3,1.2. Er impliziert das Rätsel des Menschseins sowie die Fremdheit sogar vor sich selbst und erhebt dies zum Kind-Gottes-Sein, ein Bild für die unbedingte göttliche Annahme des Individuums. Das wirkt mir tröstlich zusammen mit dem Altarwort der Kapelle, angeordnet unter dem symbolisch blauen Kirchenfenster. Es ist die Farbe des weiten Kosmos, doch auch des Himmels, der Gerhard und mich stets menschlich ansprach (was die Natur nicht tut, sie zeigt sich dem Menschen in z. T. brutalen Gesetzen und Phänomenen): „Ich bin die Auferstehung und das Leben“, Joh 11, 2. Erlösung fand sicherlich gerade Gerhard selbst, denn der Tod sei, wie Franz von Assisi für die Traueranzeige der Zeitung zitiert wurde, das Tor zum Licht am Ende eines mühsam gewordenen Weges.

Posthumer Fortgang

Für die Fortsetzung der Rezepturen-Erzeugung, ihre Abgabe und ggf. Weiterentwicklung ist gesorgt sowie für die fachlich-therapeutische Kommunikation darüber. Der Mitarbeiterstamm und ich führen die Rizol-Therapie weiter, besonders gerade den Kontakt mit Therapeuten und interessierten Laien durch regelmäßige Seminare, Workshops sowie spontane Offenheit. Das Rizol-Buch, das bisher in Spiralbindung geeignet war, wollen wir 2021 als gebundenes Buch herausgeben. Wir möchten dem Geiste Gerhard Steidls treu bleiben und unser eigenes Bemühen bestmöglich einsetzen für eine Therapie, die sich bei bestimmten Krankheitsleiden bzw. anderweitig nicht vorhandenen Abhilfen oder neben solchen nachweislich wie erfahrbar bewährt hat.

Wir Hinterbliebenen, die wir Gerhard Steidl nahe waren, nehmen Gott dankend, den wir als Macht zum Leben ansehen, Abschied von diesem Menschen.